"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

2. Saisonsieg bei der Alpen-Challenge

Begonnen hatte der Tag nicht besonders viel versprechend, als ich um 2:30 Uhr todmüde und ohne jegliche Motivation aufstand. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich ernsthaft daran gedacht, wieder ins Bett zu liegen und den Event aus zu lassen. Nach einer Tasse Kaffee konnte ich mich dann doch noch dazu quälen, wenigstens mal los zu fahren. Als ich in der Schweiz auf die Autobahn in Richtung Chur fuhr, war das Wetter sehr wechselhaft. In Abständen von ca. 20 Kilometern hat es entweder sintflutartig geregnet oder es war völlig trocken. So hatte ich auch noch auf der Autobahn mehrmals daran gedacht umzukehren, natürlich nicht direkt auf der Autobahn ;-)

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Führungsgruppe auf der Albulapassstraße

Als es dann von Chur an nur noch bergauf in Richtung Lenzerheide ging, wurde sowohl das Wetter, als auch mein Gemütszustand etwas besser. In Lantsch/Lenz angekommen habe ich sofort in der Schule meine Startunterlagen geholt und mir anschließend einen Parkplatz gesucht. Bei der Ortsdurchfahrt habe ich viele andere Leidensgenossen (Radfahrer) gesehen und auf einmal kam auch meine Motivation und mein Ehrgeiz wieder. Nun dachte ich mir: Wenn du schon so früh aufgestanden und bis in die Schweiz gefahren bist, dann muss gefälligst auch ein Podiumsplatz dabei herausspringen. Da ich aber auf der Startliste bereits den 2fachen Junioren-Weltmeister Patrick Vetsch (mehr Infos siehe Bericht zum "Highlander") gelesen habe, dachte ich eher an einen Platz zwischen 2 und 3. Ausgestattet mit Startnummer und Zeitmessungschip reihte ich mich nun im Startbereich ein. Das Wetter war trocken und die Temperaturen waren angenehm, zumindest für einen Herbstmorgen :-)

Als pünktlich um 6:30 Uhr der Startschuss fiel, gab es kein zurück mehr. Das Feld wurde neutralisiert von der Rennleitung ins Tal geführt. Von dort aus ging es sofort in den schwersten und längsten Anstieg des Tages hinein, den Albulapass. Wie immer hatte ich in den ersten Stunden und am ersten Berg meine größten Schwierigkeiten an der Spitzengruppe dranzubleiben. Irgendwie habe ich es mit einem Dauerpuls von über 180 dennoch geschafft mit der Spitzengruppe die Passhöhe zu erreichen. Als wir nach der Abfahrt in La Punt angekommen waren, hat sich unsere Gruppe mit ca. 25 Fahrern wieder formiert und ist in Richtung Berninapass gefahren. Kurz vor dem Berninapass kam aber in einem Kreisverkehr noch die Streckenteilung und spätestens jetzt waren alle Challenge-Fahrer (lange Strecke) erstaunt. Aus unserer großen Gruppe sind nur 8 Fahrer in Richtung Berninapass und somit auf die große Runde abgebogen! Für dieses Profil war jedoch eine Gruppenstärke von 5 bis 10 Fahrern ideal. Nach dem Berninapass, dem Forcolapass, dem italienischen Ort Livigno und der Ofenpassabfahrt stand nämlich ab Zernez ein ca. 40 Kilometer langes Teilstück mit eher flachem bis welligem Profil an. Zudem kam noch der sehr starke und böige Wind, welcher eine größere Gruppe schon fast für eine erfolgreiche Platzierung voraussetzte. Zu diesem Zeitpunkt war meine Renntaktik schon in groben Zügen klar: Wenn es meine Beine zulassen, wollte ich bis Tiefencastel in der Gruppe bleiben und von dort aus standen (nur) noch 13 Kilometer bergauf nach Lantsch/Lenz an.

So kam es wie es kommen musste. Wir haben zwar am Julierpass noch einen Fahrer verloren, welcher das Tempo nicht mehr halten konnte, sind dann aber zu siebt die Julierpassabfahrt runter gefahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Wetter auch keine Lust mehr und es fing an in Strömen zu Regnen. Egal - bei den Schmerzen die man nach knapp 200 Kilometern in den Bergen spürt, wirft einen der Regen auch nicht mehr aus der Bahn (zum Glück auch nicht wortwörtlich). Zu diesem Zeitpunkt wollte ich erst beim letzten Aufstieg zur Lenzerheide mein Glück versuchen, doch dass Rennen bot mir eine andere Chance.

Bereits bei der letzten Abfahrt von Del nach Tiefencastel fuhr ich an erster Position liegend, relativ zügig runter. Als ich mich im unteren Teil in einer Kehre umschaute, sah ich nur noch Elias Höfler und Frank Haun (beide aus Lichtenstein). Da Windschatten nach der Abfahrt nicht mehr von Bedeutung war (es ging nur noch bergauf), versuchte ich den Vorsprung noch während der Abfahrt auszubauen. Unten in Tiefencastel angekommen, habe ich meine 2 direkten Verfolger aus Lichtenstein gleich mal angetestet, indem ich das Tempo verschärft habe. Frank Haun musste nun abreißen lassen, so dass mir nur noch Elias Höfler folgen konnte. Wir sind nun beide gemeinsam links in Richtung Lenzerheide/Davos abgebogen. Als ich mir meinen stärksten Widersacher näher anschaute, wurde mir klar, der lässt sich nicht so leicht abhängen. Ich wollte mich jedoch keinesfalls auf einen Zielsprint einlassen, so blieb mir nur noch eines, das Tempo möglichst gleichmäßig und konstant hoch zu halten. Entweder muss er abreißen lassen oder ich muss aufgeben und mich mit dem zweiten Platz zufrieden geben.

Der letzte Anstieg kam mir mit seiner moderaten und gleichmäßigen Steigung jedoch sehr entgegen, so konnte ich ein verhältnismäßig hohes Tempo halten. Irgendwann sah ich mich mal wieder um und musste erleichtert feststellen, dass mein Verfolger leicht zurückgefallen war. Da ich Ihm keine zweite Chance ermöglichen wollte, habe ich nochmals die letzten Körner in die Waagschale geworfen und das Tempo etwas erhöht. Meine Erleichterung war fast grenzenlos, als ich ein Schild an der Straße sah, welches die letzten zwei Kilometer anzeigte. Als ich nach dem passieren des 1-Kilometer-Schildes bereits den Ort sah, konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Im Ort wurde ich dann vom Applaus der Zuschauer ins Ziel getragen.

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Die letzten Meter vor dem Ziel

Wer denkt, dass ich somit alle Schwierigkeiten des Tages gemeistert hätte, hat sich getäuscht. Der Zielsprecher hat mich sofort im Zielbereich in ein Interview verwickelt. Nach einigen Fragen zu meinem Befinden und dem Renngeschehen hat er mich aber zum Duschen und Nudeln Essen entlassen. Dieses Interview und das folgende bei der Siegerehrung war für mich ähnlich schwer, wie die Albulaauffahrt ;-)

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Interview im Zielbereich

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Siegerehrung: v.l.n.r. Elias Höfler (FL), Stefan Reich und Roger Müller (CH)

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Ein Geschenkkorb für den Gesamtsieg und eine Geschenktüte für den Klassensieg


Ergebnisliste (Platz 1 | 07:11:54 h)